Karriere

Pro­xi­mi­ty Bias

Teil 3 der Coo­pers Blog-Serie über Uncon­scious Biases

15. Juni 2022
Proximity Bias

Seit Beginn der Pandemie hat sich das Arbeiten radikal gewandelt. Mitarbeitende weltweit haben die Vorzüge von remote work kennen und lieben gelernt. Verständlich, dass nur wenige auf die neu gewonnenen Vorzüge verzichten wollen. Ein hybrides Arbeitsmodell mit einem Mix aus Präsenz und Homeoffice ist die vielversprechendste Lösung, um Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbedürfnisse zu vereinen. Die Vorteile von Homeoffice sind nicht wegzureden, sie reichen von Flexibilität über Zeitersparnis bis hin zu einer besseren Work-Life-Balance. Und doch: Es ist nicht alles Gold, was glänzt.

Im Homeoffice: Privilegiert oder Outsider?

Remote work birgt auch Nachteile und diese fallen im aktuellen Diskurs zu wenig ins Gewicht. Denn auch im Büro gilt: Aus den Augen, aus dem Sinn. So bevorzugen Vorgesetzte ungerechterweise Mitarbeitende, die sie öfter sehen – das sind im hybriden Arbeitsumfeld diejenigen, die im Büro anstatt im Homeoffice sitzen. Sie werden als produktiver, zuverlässiger und ehrgeiziger wahrgenommen, haben Vorteile bei der Aufgabenverteilung, bessere Aufstiegschancen und meist auch ein besseres Gehalt.
Grund für die Ungerechtigkeit ist der proximity bias – eine unbewusste kognitive Verzerrung, wie wir sie bereits aus der Coopers Blog-Serie über unconscious biases kennen. In dieser Serie haben wir darüber berichtet, welche Auswirkungen der affinity bias und der confirmation bias auf die Arbeitswelt haben. Im heutigen Teil 3 der Coopers-Serie zu unconscious biases geht es nun um den proximity bias.

Unconscious bias #3: Proximity bias (Verzerrung durch Nähe)

Der proximity bias führt dazu, dass wir unsere Entscheidungen nicht auf objektive Kriterien stützen, sondern auf Dinge respektive Personen in unserer räumlichen Nähe. Ein Beispiel: Eine Chefin holt sich regelmässig den Input von Mitarbeitenden ein, die sie im Büro trifft. Aufgrund dessen beurteilt sie diese als hilfsbereitere und bessere Angestellte – obwohl die Mitarbeitenden im Homeoffice sicherlich genauso guten oder vielleicht sogar besseren Input hätten liefern können. Langfristig birgt dies die Gefahr einer zwei-Klassen-Belegschaft, bei der remote arbeitende Kolleg:innen den Kürzeren ziehen.

Mit diesem Artikel möchten wir auf diese Problematik aufmerksam machen. Denn wie wir bereits im ersten Beitrag unserer Blog-Serie geschrieben haben, ist es das A und O, die Mitarbeitenden auf unbewusste kognitive Verzerrungen zu sensibilisieren.

  • Arbeitnehmenden möchten wir die Tücken von remote work aufgrund des proximity bias vor Augen führen. Manche Gruppen sind dabei stärker betroffen als andere, beispielsweise berufstätige Mütter. Sie arbeiten häufig in Teilzeit und sind daher ohnehin weniger präsent. Hybride Arbeitsmodelle scheinen auf den ersten Blick wie ein Segen, um Karriere und Familie besser unter einen Hut zu bekommen – allerdings reduziert die Homeoffice-Tätigkeit ihre Sichtbarkeit noch mehr. Durch den proximity bias können ihre Karrierechancen im hybriden Setting sinken, anstatt steigen. Gleiches gilt für Angestellte, die sich um pflegebedürftige Personen kümmern (müssen).

    Unser Rat: Angestellte sollten offen mit Vorgesetzten besprechen, wann und warum sie von zuhause arbeiten. Das zeugt von Überblick und Organisationsfreude und verhindert den unterbewussten Eindruck von „die-schaffen-es-ja-nicht-einmal-ins-Büro".

  • Führungskräften möchten wir im folgenden Abschnitt vier Tipps für objektive Entscheidungen im hybriden Setting geben, um eine Gleichbehandlung des gesamten Teams zu gewährleisten. Der erste Schritt ist die Sensibilisierung für den proximity bias und die negativen Folgen auf die Unternehmensleistung.

 

Führungskompetenz: 4 Tipps, um den proximity bias zu vermeiden

1) Vorgesetzte sollten remote arbeiten
Um ein hybrides Arbeitsmodell zu etablieren, ist es hilfreich, wenn Führungskräfte mit gutem Beispiel vorangehen und auch mal einen Homeoffice-Tag einlegen. Das steigert die Akzeptanz, denn Mitarbeitende orientieren sich mehr an Taten als an Worten. Es tut gut zu sehen, wenn der Chef oder die Chefin sich von zu Hause ins Video-Meeting einloggen. So vermitteln sie ihren Mitarbeitenden die Gewissheit, dass ihre Arbeitsleistung geschätzt wird, unabhängig vom Arbeitsort.

2) Hybride Meetings
Hybride Meetings beinhalten Teilnehmende onsite sowie online. Es ist ein deutlicher Unterschied zu rein virtuellen Meetings, bei denen sich alle Teilnehmenden selbst um Login, Technik et cetera kümmern. Hybride Meetings müssen besser durchdacht und geplant werden. Damit nichts schief geht, sollten die folgenden drei Punkte beachtet werden:

  • Unterlagen vorab senden: Damit alle Teilnehmenden die gleiche Ausgangslage haben, sollten relevante Dokumente, Kennzahlen et cetera rechtzeitig vor dem Meeting an alle geschickt werden.
  • Klare Rollenverteilung: Damit beim Meeting alles glatt läuft, sollte es eine:n Moderator:in geben, um beide Parteien aktiv einzubeziehen und die Inklusion aller sicherzustellen; Technik-Support, der sich um technische Anliegen kümmert (vorher und währenddessen); eine:n onsite Sprecher:in, der/die das vor Ort Gesagte zusammenfasst (falls notwendig); Protokollführer:in, der/die den Besprechungsfortschritt dokumentiert und im Nachgang allen zugänglich macht (das ist praktisch, wenn es doch mal technische Probleme gab und generell für abwesende Kolleg:innen).
  • Solide Technik: Ein Beamer für eine grössere Bildübertragung ist ideal für hybride Meetings. Ebenso eine Kamera und Mikrofon vor Ort, damit die online Teilnehmenden alle onsite Kolleg:innen gut sehen und hören können.

Eine weitere Option: Teilnehmende vor Ort können sich zusätzlich online in das Meeting einwählen. Sie sind dann onsite und online im Meeting dabei und schlagen so eine Brücke zwischen beiden Parteien. Das lockert die Gesamtsituation auf und verhindert Frontenbildung.

3) Physische und virtuelle Meetings mit der gleichen Person im Wechsel
Vorgesetzte sollten sich mit allen Mitarbeitenden bilateral sowohl zu physischen als auch zu digitalen Besprechungen verabreden. So baut man in beiden Umgebungen eine Arbeitsbeziehung auf und ist auf beiden Kanälen vertraut. Das baut Hemmungen ab und macht die Zusammenarbeit einfacher. Ein simples Beispiel: Es spart viel Zeit und Nerv bei der Terminfindung, wenn guten Gewissens ein Videocall anstelle eines onsite Meetings vereinbart werden kann. Die freie Kapazität lässt sich in die eigentliche Arbeit investieren und fördert so die Produktivität.

4) Ergebnisorientierte Arbeitsbeurteilung
Durch einen ergebnisorientierten Workflow lässt sich der proximity bias umgehen. Lob und Karrierechancen ergeben sich für diejenigen, die ihre Ziele erreichen, Deadlines einhalten et cetera – unabhängig davon, von wo sie ihre Arbeit erledigen.

 

Wie geht es weiter: Büros abschaffen? Remote Work streichen?

Weder noch. Ohne Büros verschwindet der Flurfunk und mit ihm das Wir-Gefühl und über die Zeit die Unternehmenskultur. Einer sinnhaften Tätigkeit nachzugehen, bedeutet mehr, als nur seine Aufgaben zu erledigen. Vielmehr ist man Teil einer Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Mission. Soziales Feedback und Miteinander tragen essenziell dazu bei, die Mission erfolgreich zu machen. Und dennoch: die Vorteile von remote work sind greifbar und nicht mehr wegzudenken. Daher sind wir überzeugt, dass die Lösung in der goldenen Mitte liegt: die künftige Arbeitswelt wird eine hybride sein. Die Frage ist vielmehr, welche hybriden Modelle sich mit der Zeit entwickeln werden. In den Worten von Tim Cook: "We're running a pilot and trying to find a place that makes the best of both of these worlds." Der Schlüssel zum Erfolg liegt demnach in einem Modell, das die Vorteile von persönlichem und virtuellem Engagement vereint. Das kann in Zukunft ganz anders aussehen als jetzt; vor allem, wenn man die Entwicklungen in den Bereichen Künstliche Intelligenz und Virtual Reality bedenkt. Wichtig dabei ist: Die Lösungen müssen die Gefahren des proximity bias berücksichtigen und so weit wie möglich bannen.

Wir bei Coopers pendeln uns derzeit auch in das hybride Arbeitsleben ein und freuen uns über einen Austausch zu diesem Thema. Was sind eure bisherigen Erfahrungen? Was wollt ihr beibehalten, was anders angehen?
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Eure Coopers Family

 

Foto von Laura Davidson via Unsplash.com